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Brief für Steuerpflichtige im Privatbereich des Monats August 2011


Sehr geehrte Damen und Herren,


der Ihnen nun vorliegende Brief möchte Sie über wesentliche, vollzogene oder geplante Änderungen im Steuer- und Wirtschaftsrecht der letzten Monate informieren und Ihnen Anlass bieten, auch bestehende Sachverhalte zu überprüfen.

Bitte lesen Sie im Einzelnen:


Inhalt

1.

Urlaubsmitbringsel: Der Zoll versteht keinen Spaß

2.

Fahrtkostenpauschale von 0,30 EUR bei Reisekosten auf der Kippe?

3.

Zum Nachweis der Einzahlung einer Stammeinlage

4.

Geringe Manipulation von Zeiterfassungsdaten rechtfertigt keine Kündigung

5.

Insolvenzvermerk im Grundbuch bei Eigentum einer Erbengemeinschaft

6.

Abfindung an weichende Erbprätendenten unterliegt nicht der Erbschaftsteuer

7.

Vermietung und Verpachtung: Einkünfteerzielungsabsicht bei kurzfristigem Immobilienbesitz

8.

Täuschung bei Bewerbung berechtigt Arbeitgeber nicht immer zur Anfechtung des Arbeitsvertrags

9.

Schadensersatzpflicht des Arbeitgebers bei Unfall in Rufbereitschaft

10.

Eine nur abstrakte Kündigungsbefugnis eines Bevollmächtigten des Arbeitgebers kann unzureichend sein

11.

Zur Bedeutung des Wortes "unverzüglich" bei fristloser Kündigung eines Schwerbehinderten

12.

Beiträge für Gruppenkrankenversicherung als Arbeitslohn

13.

Zur Bindungswirkung der Feststellungen des Lagefinanzamts

14.

Aufwand für kontraststarkes Fernsehgerät keine außergewöhnliche Belastung

15.

Kein Kindergeld für Kind in Untersuchungshaft

16.

Zur rückwirkenden Aufhebung einer Kindergeldfestsetzung

17.

Befragung nach dem Gesundheitszustand der Bewerber um Beamtenstelle zulässig

18.

Schuldunfähigen Arbeitnehmern kann fristlos verhaltensbedingt gekündigt werden

19.

Entschädigung für schwangere Bewerberin bei Benachteiligung

20.

Festlegen einer durchschnittlichen Stundenzahl im Monat im Arbeitsvertrag unwirksam



1. Urlaubsmitbringsel: Der Zoll versteht keinen Spaß

Kernaussage
Reisemitbringsel aus Drittländern sind zu verzollen, sofern bestimmte Freigrenzen überschritten sind. In der Praxis wird dies nicht immer beachtet oder ist schlichtweg nicht bekannt. Der Zoll ist allerdings diesbezüglich äußerst streng.

Sachverhalt
Der Kläger hatte im Urlaub in der Türkei eine Brille für 690 EUR gekauft. Mit der Brille auf der Nase reiste er zusammen mit seiner Ehefrau nach Deutschland ein. Am Flughafen nutzte er den grünen Ausgang für anmeldfreie Waren. Er erklärte zunächst gegenüber dem Zollbeamten, keine Waren aus der Türkei mitgebracht zu haben. Auf Nachfrage des Zollbeamten bestätigte er allerdings den Kauf seiner Brille, gab aber einen Kaufpreis von 410 EUR an. Auf expliziten Hinweis des Beamten auf die maßgebliche Freigrenze von 430 EUR, blieb der Kläger bei seiner Aussage. Bei Durchsuchung des Gepäcks fand der Zollbeamte daraufhin die Quittung der Brille und setzte Einfuhrabgaben i. H. v. 120,75 EUR sowie einen Zuschlag in gleicher Höhe fest. Hiergegen wehrte sich der Kläger mit dem Argument, ihm stünde aufgrund des Mitreisens seiner Ehefrau die doppelte Freigrenze zu. Die Klage blieb erfolglos.

Entscheidung
Das Finanzgericht (FG) Düsseldorf wies darauf hin, dass eine abgabenfreie Einfuhr nur für Waren möglich ist, die im persönlichen Gepäck mitgebracht werden, jedoch nicht auf der Nase. Ebenso kann die Wertgrenze nicht mit der Anzahl der Mitreisenden multipliziert werden. Der eidesstattlichen Erklärung der Ehefrau, dass die Brille tatsächlich nur 410 EUR gekostet hätte, schenkte das FG angesichts der vorliegenden, vom Kläger gegengezeichneten, Quittung keinen Glauben. Da half es dem Kläger auch nicht, dass er vortrug, die zu hohe Quittung diene nur einem möglichen Versicherungsbetrug. Der Hinweis, dass der Optiker in der Türkei bereit sei, getrennte Rechnungen für das Brillengestell und die Gläser auf ihn und seine Ehefrau auszustellen, brachte ebenfalls nichts, da der Wert einer Ware im Hinblick auf die Freigrenze nicht aufteilbar ist.

Konsequenzen
Auch von Urlaubern, die aus Drittländern, wie z. B. USA, Schweiz oder der Türkei nach Deutschland einreisen, wird erwartet, dass sie die Bedeutung des grünen bzw. roten Ausgangs kennen oder sich hierüber informieren. Wer den falschen Ausgang wählt, begeht eine Steuerordnungswidrigkeit, die neben den Einfuhrabgaben zumindest einen Zuschlag nach sich zieht.

2. Fahrtkostenpauschale von 0,30 EUR bei Reisekosten auf der Kippe?

Kernproblem
Beruflich veranlasste Reisekosten dürfen vom Arbeitgeber steuerfrei erstattet werden, soweit sie die beim Arbeitnehmer abzugsfähigen Werbungskosten nicht übersteigen. Benutzt der Arbeitnehmer hierbei seinen privaten Pkw, können die Fahrtkosten grundsätzlich mit 0,30 EUR pauschal je Fahrkilometer angesetzt werden. In der Praxis wird zumeist auf diese zuletzt 2001 vom Bundesfinanzministerium festgelegte Kilometerpauschale zurückgegriffen, obwohl es das Finanzamt zulässt, die Fahrtkosten individuell auf Basis der Gesamtkosten des Fahrzeugs zu ermitteln. Während die 2001 verkündete Pauschale eine reine Euro-Umrechnung darstellte, hat die letzte Erhöhung im Jahr 2000 um etwa 0,03 EUR stattgefunden. Angesichts der Preisentwicklung im vergangenen Jahrzehnt erscheint dies geradezu marginal. Jetzt wurde das Thema erneut aufgegriffen; Auslöser war ausgerechnet der öffentliche Dienst in der Funktion als Arbeitgeber.

Sachverhalt
Als ungerecht mag es auf den ersten Blick empfunden werden, dass die an Beamte und Angestellte im öffentlichen Dienst gezahlten Reisekosten (bis auf Ausnahmen), unabhängig von einem Verweis auf die für "normale" Arbeitnehmer geltenden Höchstbeträge aus dem Steuerrecht, lohnsteuerfrei sind. Auf den zweiten Blick stellt man jedoch fest, dass die aus öffentlichen Kassen gezahlten Reisekosten häufig identisch oder sogar niedriger sind, so dass dem Thema die steuerliche Brisanz weitgehend entzogen ist. Jedoch werden in manchen Bundesländern höhere Vergütungen nach den geltenden Landesreisekostengesetzen gezahlt. Ein Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes in Baden-Württemberg erhält z. B. bei Nutzung eines Privatwagens von über 600 ccm Hubraum eine Pauschale von 0,35 EUR je Kilometer. Da anzunehmen ist, dass in der Autobauermetropole die meisten Beamten nicht unbedingt einen Fiat 500 aus solchen Zeiten fahren, in denen die Typenbezeichnung noch für den Hubraum stand, dürfte der erhöhte Satz der Regel entsprechen (die Fahrer des alten Fiat 500 werden mit einem Abzug von 0,10 EUR bestraft). In einem Lohnsteuer-Ermäßigungsverfahren verlangte ein angestellter Steuerberater die Gleichbehandlung und begehrte den Abzug von 0,35 EUR für seinen Pkw (über 600 ccm). Als Nachweis diente ihm ein vom Statistischen Bundesamt ermittelter Kraftfahrer-Preisindex von 0,3572 EUR.

Entscheidung
Nachdem sowohl das Finanzgericht Baden-Württemberg als auch der Bundesfinanzhof (BFH) den Fall negativ beschieden haben, ist jetzt die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gefragt. Zumindest die Steuerrichter beriefen sich darauf, typisierende Verwaltungsvorschriften nicht ändern zu können. Zudem stehe dem Arbeitnehmer ein Nachweis durch Gesamtkostenermittlung zu. Der BFH wollte auch keine Ungleichbehandlung von Arbeitnehmern sehen; das muss das Bundesverfassungsgericht jetzt überprüfen, nachdem der streitbare Steuerberater Verfassungsbeschwerde eingelegt hat.

Konsequenz
Der Fall ist nicht so spektakulär wie seinerzeit die Entfernungspauschale. Dennoch sind Berater in Fällen mit größerer Tragweite dazu angehalten, das Verfahren mit Hinweis auf ein Ruhen bis zu einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts offenzuhalten. Zu über den 0,30 EUR hinausgehenden Erstattungen "privater" Arbeitgeber ist auch im Hinblick auf zusätzliche Risiken im Sozialversicherungsrecht zunächst nicht zu raten. Ein erweiterter Werbungskostenabzug ist im Veranlagungsverfahren des Arbeitnehmers immer noch möglich. Zudem sollte die Möglichkeit des Einzelnachweises verstärkt in Betracht gezogen werden. Hier sind allerdings Nachweise als Belege zum Lohnkonto zu nehmen.

3. Zum Nachweis der Einzahlung einer Stammeinlage

Rechtslage
Die Frage, ob die Gesellschafter einer GmbH die Stammeinlagen erbracht haben, kann viele Jahre nach der Gründung der Gesellschaft praktische Relevanz bekommen. Der Bundesfinanzhof (BFH) entschied, dass der Nachweis der Einzahlung einer Stammeinlage im Hinblick auf daraus resultierende Anschaffungskosten (§ 17 Abs. 2 EStG) 20 Jahre nach Eintragung der GmbH nicht allein durch den entsprechenden Zahlungsbeleg geführt werden muss. Vielmehr hat anhand aller vorhandenen Einzelindizien eine Gesamtwürdigung zu erfolgen.

Sachverhalt
Die Klägerin war als Gesellschafterin einer 1986 gegründeten GmbH an deren Stammkapital zu rund einem Drittel beteiligt. Nach der Satzung waren die Stammeinlagen zur Hälfte sofort in bar einzuzahlen. Im Juni 2006 lehnte das Amtsgericht die Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse ab. Die GmbH wurde im Handelsregister sodann gelöscht. Für das Jahr 2006 machte die Klägerin den Verlust aus der Beteiligung an der GmbH im Halbeinkünfteverfahren steuerlich geltend. Das beklagte Finanzamt lehnte die Berücksichtigung des Verlustes ab. Das Finanzgericht schloss sich der Auffassung des Finanzamts an, da die Klägerin die Zahlung der Stammeinlage nicht nachgewiesen habe.

Entscheidung
Der BFH hob das Urteil auf und gab der Klage statt. Angesichts des langen Zeitablaufs seit der Eintragung der GmbH kann aus dem Fehlen eines Einzahlungsbelegs kein Indiz dafür abgeleitet werden, dass keine Einzahlung erfolgt ist. Auch wäre es unverhältnismäßig, allein auf die Vorlage eines Zahlungsbelegs abzustellen, zumal die Klägerin keine Aufbewahrungspflichten mehr träfen. Anhand einer Gesamtwürdigung hätte das Finanzgericht die Einzelindizien für die Einzahlung berücksichtigen und werten müssen. Hierbei kommt der Einzahlungsverpflichtung laut Gesellschaftsvertrag, sowie der Tatsache, dass die GmbH tatsächlich eingetragen worden ist, ein hoher Beweiswert zu. Ergiebiges Indiz für die Einlageleistung der Klägerin ist der bilanzielle Ausweis der ausstehenden Einlage mit 0 EUR und dessen Übernahme in die Prüferbilanz, zumal der Betriebsprüfer bei Nichtverzinsung der ausstehenden Stammeinlage ggf. eine verdeckte Gewinnausschüttung zu veranschlagen gehabt hätte.

Konsequenz
Das Urteil des BFH hat über den entschiedenen Sachverhalt hinaus auch Bedeutung soweit es um die Beweislast hinsichtlich der Erfüllung der Zahlungsverpflichtung zur Leistung der Stammeinlage geht. Dennoch ist zu empfehlen, die entsprechenden Kontoauszüge bzw. Einzahlungsbelege über die erbrachten Einlagen mit den Verträgen und Beschlüssen der Gesellschaft dauerhaft aufzubewahren.

4. Geringe Manipulation von Zeiterfassungsdaten rechtfertigt keine Kündigung

Rechtslage
Bis zur vieldiskutierten "Emily"-Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts verhielt es sich so, dass auch geringfügige Straftaten zu Lasten des Arbeitgebers (beispielsweise auch die Unterschlagung von Pfandbons) eine fristlose Kündigung rechtfertigen konnten. Hierzu gehörte stets auch der Arbeitszeitbetrug. Das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein hat jetzt für diesen Bereich (wohl) erstmals eine mit der "Emily"-Rechtsprechung vergleichbare Richtung eingeschlagen.

Sachverhalt
Beim beklagten Arbeitgeber bestand ein Zeiterfassungssystem, in das sich die Arbeitnehmer einstempeln mussten und das einer Arbeitsstunde 12 Zeiteinheiten zuordnete, wobei zu den einzelnen Tätigkeiten im Betrieb bestimmte Zeiteinheiten hinterlegt waren. Für den hier erheblichen Ölwechsel erhielt der Kläger 9 Zeiteinheiten gutgeschrieben. Wenn ein Lehrling an der Arbeit beteiligt war, umfasste eine Arbeitsstunde 14 oder 16 Zeiteinheiten. Im konkreten Fall hatte der Kläger einen Lehrling angewiesen, ihm beim Abschrauben einer Verkleidung zu helfen, was ca. eine Minute erforderte, und sich dafür nicht in die Zeiterfassung einzustempeln. Wegen dieses Vorfalls kündigte der Arbeitgeber dem Kläger fristlos und unterlag vor dem Landesarbeitsgericht.

Entscheidung
Die Richter entschieden, dass ein systematischer Missbrauch der Zeiterfassung zwar weiterhin eine zur fristlosen Kündigung berechtigende schwere Pflichtverletzung darstelle und der Kläger die Zeiterfassung auch zu seinen Gunsten manipuliert habe, indem er verhinderte, dass die Hilfe des Lehrlings die Zeiteinheiten seiner Arbeitsstunde erhöhten. Der für die fristlose Kündigung zum Anlass genommene Vorwurf stelle aber eine verhältnismäßig geringe Pflichtverletzung dar, die keine Kündigung rechtfertige.

Konsequenz
Die Entscheidung zeigt eine deutliche Tendenz im Bereich der Rechtsprechung zu Kündigungen, die wegen Straftaten, die zu Lasten des Arbeitgebers begangen wurden, ausgesprochen werden. Dort, wo verhältnismäßig geringe Verstöße denkbar und möglich sind, scheint die Rechtsprechung zu Gunsten des Arbeitnehmers ein einmaliges bzw. geringfügiges Fehlverhalten für noch erträglich zu erachten.

5. Insolvenzvermerk im Grundbuch bei Eigentum einer Erbengemeinschaft

Kernfrage
Kommt es zur Eröffnung eines Insolvenzverfahrens, wird in den Grundbüchern von im Eigentum des Insolvenzschuldners stehenden Grundstücken ein sogenannter Insolvenzvermerk eingetragen. Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte nunmehr darüber zu entscheiden, ob der Insolvenzvermerk auch bei Grundstücken eingetragen werden kann, die im Eigentum einer Erbengemeinschaft stehen, bei der sich nur ein Mitglied in Insolvenz befindet.

Sachverhalt
Bei einer Erbengemeinschaft, bestehend aus drei Mitgliedern, fiel ein Miterbe in Insolvenz. Darauf hin wurde bei einem Grundstück, das die Erbengemeinschaft hielt, der Vermerk eingetragen: "Nur lastend auf dem Anteil des Insolvenzschuldners: Über das Vermögen des Eigentümers ist das Insolvenzverfahren eröffnet." Gegen diese Eintragung wandten sich die übrigen Mitglieder der Erbengemeinschaft und verlangten Löschung; unterlagen aber schließlich vor dem Bundesgerichtshof.

Entscheidung
Die Eintragung des Insolvenzvermerks, lastend auf dem Anteil am Grundstück desjenigen Miterben, der in Insolvenz gefallen ist, ist zulässig. Dass das Grundstück im Eigentum einer - nicht rechtsfähigen - Erbengemeinschaft steht, ist nicht hinderlich. Die Richter entschieden, geschützt werden müsse die Insolvenzmasse vor einem gutgläubigen Erwerb des in Insolvenz befindlichen Anteils durch einen Dritten. Würde der Insolvenzvermerk nicht eingetragen, dann könnte der Insolvenzschuldner trotz seiner gesetzlich angeordneten Verfügungsbeschränkung aufgrund seiner Insolvenz im Rahmen der Erbengemeinschaft über das Grundstück gemeinschaftlich mit den anderen Miterben verfügen. Die Verfügung könnte unter Umgehung des Insolvenzverwalters vorgenommen werden.

Konsequenz
Die Entscheidung ist aus insolvenzrechtlicher Sicht richtig. Für Erbengemeinschaften ist es erforderlich, darauf zu achten, dass der Insolvenzvermerk zutreffend eingetragen wird. Das heißt, der Insolvenzvermerk ist beschränkt auf den Anteil am Nachlassgrundstück einzutragen, der sich auch tatsächlich in Insolvenz befindet.

6. Abfindung an weichende Erbprätendenten unterliegt nicht der Erbschaftsteuer

Rechtslage
Bislang sah der Bundesfinanzhof (BFH) es als einen Erwerb von Todes wegen an, wenn ein Dritter (Nichterbe) von einem Erben eine Zahlung oder eine sonstige Leistung dafür erhielt, dass der Dritte die Erbenstellung nicht weiter angriff. Der BFH unterwarf sodann die Zahlung oder Leistung, die der Dritte von dem Erben erhalten hatte, der Erbschaftsteuer. Diese Rechtsprechung wurde nunmehr aufgegeben.

Sachverhalt
Der ursprünglich zum Alleinerben eingesetzte Kläger hatte die Erbenstellung der in einem späteren Testament zur Alleinerbin berufenen Beklagten in einem Zivilrechtstreit angegriffen. Im Rahmen dieses Zivilrechtstreits einigten sich die Parteien darauf, dass der Kläger eine einmalige Zahlung erhalten sollte, im Übrigen aber die Alleinerbenstellung der Beklagten endgültig anerkannte. Das Finanzamt unterwarf die Zahlung an den Kläger der Erbschaftsteuer, was der Bundesfinanzhof nunmehr revidierte.

Entscheidung
Die Entscheidung darüber, was einen erbschaftsteuerpflichtigen Erwerb von Todes wegen darstelle, ergebe sich alleine nach den Fallgruppen des Erbschaftsteuergesetzes, so die Richter. Hierzu gehörten dem Grunde nach nicht Abfindungszahlungen, die dafür gezahlt werden, dass eine (bestreitbare) Erbenstellung nicht mehr bestritten wird. Dass der Erwerb im Zusammenhang mit einem Erbfall erfolge, sei für eine Erbschaftsteuerpflicht nicht ausreichend.

Konsequenz
Die Entscheidung des Bundesfinanzhofs hat weitreichende Konsequenzen. Denn das Gericht führt selber aus, dass - soweit es zu vergleichbaren Sachverhalten bisher entschieden habe, dass Abfindungen aufgrund eines Erbvergleiches als Erwerb von Todes wegen der Erbschaftsteuer unterliegen - an der bisherigen Rechtsprechung nicht mehr festgehalten wird. Insoweit kann der Erbvergleich bei unklarer bzw. streitiger Erblage erbschaftsteuerliches Gestaltungsmittel sein.

7. Vermietung und Verpachtung: Einkünfteerzielungsabsicht bei kurzfristigem Immobilienbesitz

Kernproblem
Bei der auf Dauer angelegten Vermietung einer Immobilie ist regelmäßig von einer Einkunftserzielungsabsicht auszugehen, wenn keine besonderen Umstände dagegen sprechen. Das gilt selbst dann, wenn sich über längere Zeiträume Verluste ergeben. Die Vermietung ist dann auf Dauer ausgerichtet, wenn sie nach den bei ihrem Beginn ersichtlichen Umständen keiner Befristung unterliegt. Besonders kritisch und als Beweisanzeichen gegen die Einkunftserzielungsabsicht angesehen werden nach Ansicht der Finanzverwaltung z. B. der Abschluss eines Zeitmietvertrages oder einer entsprechend kurzen Fremdfinanzierung. Erfolgt eine Veräußerung oder Selbstnutzung im Zeitraum von bis zu fünf Jahren nach Anschaffung oder Herstellung und können keine Umstände dargelegt werden, die dafür sprechen, dass der Entschluss erst nachträglich gefasst wurde, verlangt die Finanzverwaltung eine Überschussprognose. Eine solche kann allerdings in diesem kurzen Zeitraum nur selten positiv enden. Wie aber geht die Sache aus, wenn an eine gewerblich geprägte Kommanditgesellschaft (KG) veräußert wird, an der der Bauherr selbst mehrheitlich beteiligt ist?

Sachverhalt
Der Bauherr war Notar und erwarb zwei unbebaute Grundstücke, die im Folgejahr mit Reihenhausdoppelhälften bebaut und anschließend vermietet wurden. Noch im Jahr der Fertigstellung verkaufte er die Grundstücke an eine gewerblich geprägte Grundstücks-KG, an der er mit fast 2/3 selbst als Kommanditist beteiligt war. Als Kaufpreis wurde exakt der von dem Notar selbst aufgewandte Betrag vereinbart. Die KG vermietete die Objekte aufgrund der bereits vorher abgeschlossenen Mietverträge weiter. Es hatte sich also eigentlich nichts geändert - dachte der Notar. Zumindest so lange, bis das Finanzamt die geltend gemachten privaten Verluste der beiden Jahre von fast 173.000 EUR nicht anerkannte. Der klagende Notar blieb in allen Instanzen erfolglos.

Entscheidung
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat die Einkunftserzielungsabsicht des Notars verneint. Dabei stellt er heraus, dass das Gesetz keine "die Einkunftsarten übergreifende Prüfung" kenne. Erziele die gewerblich geprägte Personengesellschaft nach dem Grundstückserwerb eigene Einkünfte, dann knüpfen diese nicht mehr an die Nutzungsüberlassung als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung an, sondern an das gewerbliche Unternehmen und die gesamte unternehmerische Tätigkeit der Gesellschaft. Deswegen könne die Gewinnerzielungsabsicht der KG nicht als Fortsetzung der Überschusserzielungsabsicht des Notars angesehen werden. Hierdurch unterscheide sich der Streitfall auch von der Abwandlung, dass eine vermögensverwaltende Personengesellschaft nach Erwerb in die Mietverträge einsteigt; denn dann erzielt die Gesellschaft weiterhin kontinuierlich Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Diese Kontinuität werde hier aber durch die gewerbliche Prägung unterbrochen.

Konsequenz
Der BFH merkt an, dass im Schrifttum erwogen werde, einen Spekulationsgewinn in die Beurteilung einzubeziehen. Im Streitfall blieb dies wegen der Gleichwertigkeit von Veräußerungspreis und Anschaffungskosten ohne Belang.

8. Täuschung bei Bewerbung berechtigt Arbeitgeber nicht immer zur Anfechtung des Arbeitsvertrags

Rechtslage
Die Zulässigkeit der Frage nach einer Schwerbehinderung im Bewerbungsgespräch ist hoch umstritten. Wäre sie generell unzulässig, dürfte der Bewerber sogar die Unwahrheit sagen. Das Bundesarbeitsgericht hat sich dazu bislang nicht geäußert, entschied aber in einer jüngeren Entscheidung allgemein, dass ein Arbeitgeber zur Anfechtung des Arbeitsvertrags wegen arglistiger Täuschung berechtigt sein kann, wenn ein Bewerber eine zulässige Frage im Bewerbungsgespräch falsch beantwortet.

Sachverhalt
Die Klägerin war lange vor Beginn ihrer Tätigkeit für den beklagten Arbeitgeber als Schwerbehinderte anerkannt. Erst als der Arbeitgeber ihr nahelegte, gegen Abfindung aus dem Arbeitsverhältnis auszuscheiden, informierte die Klägerin ihn über ihre Schwerbehinderung, nachdem sie im Bewerbungsgespräch die Frage nach einer solchen noch verneint hatte. Daraufhin erklärte der Arbeitgeber die Anfechtung des Arbeitsvertrages wegen arglistiger Täuschung und hilfsweise die Kündigung des Arbeitsvertrages. Mit ihrer Klage begehrte die Klägerin die Feststellung des Fortbestandes des Arbeitsverhältnisses und machte eine Entschädigung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) wegen Diskriminierung geltend.

Entscheidung
Die Klägerin obsiegte mit ihrer Feststellungsklage, unterlag verlor aber mit dem geltend gemachten Entschädigungsanspruch. Zwar könne eine falsche Antwort auf eine zulässigerweise gestellte Frage im Bewerbungsgespräch zur Anfechtung und auch Kündigung des Arbeitsverhältnisses führen; dies aber nur, wenn sich die Täuschung ursächlich auf den Abschluss des Arbeitsvertrages ausgewirkt habe. Dies war hier unstreitig nicht der Fall, denn der Arbeitgeber hatte zugegeben, die Frage nach der Schwerbehinderung deshalb gestellt zu haben, weil er seine Schwerbehindertenquote habe erhöhen wollen. Damit konnte unterstellt werden, dass die Klägerin auch bei Offenlegung der Schwerbehinderung eingestellt worden wäre. Im Übrigen lägen für den geltend gemachten Entschädigungsanspruch keine ausreichenden Indizien vor.

Konsequenz
Die Entscheidung ist zutreffend. Insbesondere wenn der Arbeitgeber selber vorträgt, er habe bewusst Schwerbehinderte bevorzugen wollen, kann er keine Anfechtung auf das nachträgliche Offenlegen einer Schwerbehinderung stützen. Das Bundesarbeitsgericht hat allerdings leider die Entscheidung nicht dazu genutzt, sich zur grundsätzlichen Zulässigkeit der Frage nach einer Schwerbehinderung im Bewerbungsgespräch zu äußern.

9. Schadensersatzpflicht des Arbeitgebers bei Unfall in Rufbereitschaft

Kernfrage
Die ärztliche Rufbereitschaft wird - unabhängig davon, wie sie erfasst und vergütet wird - regelmäßig als Arbeitszeit gewertet. Der Arbeitnehmer ist zwar nicht körperlich im Dienst, aber verpflichtet, unmittelbar auf Anforderung seinen Dienst an dem vom Arbeitgeber mitgeteilten Ort aufzunehmen. Das Bundesarbeitsgericht hatte nunmehr darüber zu befinden, ob der Arbeitgeber schadensersatzpflichtig für einen Schaden ist, den der Arbeitnehmer in Rufbereitschaft an seinem privaten Kfz auf der Fahrt zur Arbeitsaufnahme erleidet.

Sachverhalt
Der Kläger war als Arzt bei der beklagten Klinik angestellt und wohnte in einiger Entfernung zu seinem Arbeitsort. Als er aus der Rufbereitschaft in den Dienst beordert wurde, erlitt er auf dem Weg zur Arbeitsstelle bei winterbedingtem Glatteis einen Verkehrsunfall. Mit seiner Klage verlangte er Ersatz für den an seinem Pkw entstandenen Blechschaden. Arbeits- und Landesarbeitsgericht (LAG) wiesen die Klage ab.

Entscheidung
Das Bundesarbeitsgericht entschied die Sache zwar nicht, hob aber die zugunsten des Arbeitgebers in den Vorinstanzen ergangenen Entscheidungen auf und verwies die Sache zur erneuten Verhandlung an das LAG zurück. Dabei stellte das Bundesarbeitsgericht - anders als die Vorinstanzen bisher - fest, dass ein Schadensersatzanspruch dem Grunde nach bestehe. In der Rufbereitschaft werde der Arbeitnehmer aufgefordert, seine Arbeitsleistung aufzunehmen. Wenn der Arbeitnehmer annehmen dürfe, er müsse seinen privaten Pkw benutzen, um pünktlich am Arbeitsort zu sein, könne ein Schadensersatzanspruch dem Grunde nach bestehen. Insoweit sei die Rufbereitschaft anders zu beurteilen als die normale tägliche Fahrt zur Arbeit, bei der eine Schadensersatzpflicht nicht bestehe. Im Rahmen der erneuten Verhandlung sei nur noch zu klären, wie hoch der Schaden sei und ob ein Mitverschulden des Arbeitnehmers am Unfall vorliege.

Konsequenz
Die Entscheidung hat weitreichende Folgen. Zum einen gilt sie für Schadensersatzansprüche nach Unfällen in Rufbereitschaft. Zum anderen ist die Ausgangslage wohl damit vergleichbar, dass der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer aus der Freizeit außerhalb normaler Arbeitszeiten kurzfristig zur Arbeit beordert. Auch hier muss dann bei Unfällen über eine Schadensersatzpflicht dem Grunde nach nachgedacht werden.

10. Eine nur abstrakte Kündigungsbefugnis eines Bevollmächtigten des Arbeitgebers kann unzureichend sein

Rechtslage
Kündigung müssen durch den Arbeitgeber schriftlich ausgesprochen werden. Dies ist entweder der Inhaber selbst oder der gesetzliche Vertreter, wenn Arbeitgeber eine juristische Person ist. Daneben sind auch andere Personen zur Kündigung berechtigt, wenn ihnen vom Arbeitgeber entsprechende Vollmacht erteilt worden ist und diese Vollmacht dem Arbeitnehmer bekannt gemacht wurde. Solche Kündigungen sind mit "i. V." zu unterzeichnen. Ist dem Arbeitnehmer die Vollmacht nicht bekannt, muss eine Originalvollmacht bei Zugang der Kündigung vorliegen, um eine in Vertretung des Arbeitgebers ausgesprochene Kündigung wirksam werden zu lassen. Das Bundesarbeitsgericht hatte nunmehr über die Wirksamkeit einer Arbeitsvertragsklausel zu entscheiden, die eine generelle Kündigungsvollmacht erteilen sollte.

Sachverhalt
Im Arbeitsvertrag der Klägerin war geregelt, dass eine Kündigung auch durch den Niederlassungsleiter/Objektleiter erfolgen könne. Das Arbeitsverhältnis wurde gekündigt, die Kündigung enthielt die Unterschriftszeile "i. V. [Unterschrift], Niederlassungsleiter". Die Klägerin wies die Kündigung unverzüglich wegen Nichtvorlage einer Vollmacht zurück. Mit ihrer Kündigungsschutzklage machte sie geltend, die Kündigung sei unwirksam, weil sie nicht darüber in Kenntnis gesetzt worden sei, wer der im Arbeitsvertrag erwähnte Niederlassungsleiter sei.

Entscheidung
Das Bundesarbeitsgericht gab der Klägerin Recht. Das Zurückweisungsrecht, von dem die Klägerin Gebrauch gemacht habe, hätte nur dann nicht vorgelegen, wenn der Arbeitgeber der Klägerin die Bevollmächtigung vorher mitgeteilt hätte. Auch die abstrakte Bevollmächtigungsregelung im Arbeitsvertrag ändere daran nichts. Diese stelle kein ausreichendes Inkenntnissetzen dar. Zwar müsse der Arbeitsvertrag nicht die zur Kündigung bevollmächtigten Personen namentlich benennen. Erforderlich sei aber, was bei der hier streitigen Klausel nicht der Fall war, dass der Arbeitgeber aufzeige, wie der Arbeitnehmer unschwer in Erfahrung bringen könne, wer kündigungsberechtigt sei.

Konsequenz
Dass das Bundesarbeitsgericht die namentliche Nennung der zur Kündigung bevollmächtigten Personen für nicht zwingend erforderlich hält, erscheint angesichts der im Übrigen erforderlichen Ausgestaltung, die der Arbeitsvertrag haben soll, als schwacher Trost. Einfacher wird es nur dann, wenn eine Personalabteilung vorhanden ist, die die tatsächlichen Namen der Kündigungsberechtigten zentral bekannt macht.

11. Zur Bedeutung des Wortes "unverzüglich" bei fristloser Kündigung eines Schwerbehinderten

Kernfrage
Kündigungen von schwerbehinderten Arbeitnehmern sind nur wirksam, wenn die Zustimmung des Integrationsamtes vorliegt. Bei fristlosen Kündigungen, die innerhalb von zwei Wochen nach Kenntnis vom fristlosen Kündigungsgrund ausgesprochen sein müssen, reicht es aus, wenn der Antrag auf Zustimmung zur fristlosen Kündigung innerhalb der zwei Wochen beim Integrationsamt eingeht. Stimmt das Amt zu, sieht das Gesetz vor, dass die Kündigung gegenüber dem Schwerbehinderten unverzüglich nach Erhalt der Zustimmung erfolgen muss. Das Arbeitsgericht Oberhausen hatte nun darüber zu entscheiden, was "unverzüglich" in diesem Zusammenhang bedeutet.

Sachverhalt
Der schwerbehinderte Kläger hatte bei seinem Arbeitgeber Geld veruntreut. Als dies bekannt wurde, beantragte der Arbeitgeber die für eine wirksame fristlose Kündigung erforderliche Zustimmung des Integrationsamtes. Die Zustimmung wurde auch erteilt, allerdings mehr als zwei Wochen nach Kenntniserlangung des Arbeitgebers vom außerordentlichen Kündigungsgrund. Der Arbeitgeber kündigte am Tag nach Erhalt der Zustimmung des Integrationsamtes das Arbeitsverhältnis fristlos. Die hiergegen gerichtete Kündigungsschutzklage hatte keinen Erfolg.

Entscheidung
Mit seiner Kündigungsschutzklage hatte der Kläger geltend gemacht, die fristlose Kündigung sei verfristet, insbesondere sei sie nicht unverzüglich nach Erteilung der Zustimmung des Integrationsamtes erfolgt. Das Arbeitsgericht urteilte jedoch, dass es ausreichend sei, wenn innerhalb von zwei Wochen nach Kenntnis des Kündigungsgrundes die Zustimmung zur fristlosen Kündigung beim Integrationsamt beantragt sei; im Übrigen sei die Kündigung auch unverzüglich nach Erhalt der Zustimmung erfolgt. Ein Tag Verzögerung sei insoweit unschädlich.

Konsequenz
Die Entscheidung überrascht im Ergebnis nicht, sie zeigt aber, dass bei fristlosen Kündigungen Schwerbehinderter stets unmittelbarer Handlungsbedarf besteht. Die Betonung, dass ein Tag Verzögerung unschädlich sei, lässt darauf schließen, dass eine andere Entscheidung möglich gewesen wäre, wenn eine zwei- oder dreitägige Verzögerung vorgelegen hätte.

12. Beiträge für Gruppenkrankenversicherung als Arbeitslohn

Kernproblem
Glaubt man den Ausführungen der Finanzgerichte im Zusammenhang mit der Prüfung von Lohnsteuerfragen ausländischer Saisonarbeitskräfte, dann besteht für solche Mitarbeiter keine gesetzliche Krankenversicherungspflicht. Jedoch ergibt sich die "Pflicht" zur Versicherung ausländischer Saisonarbeitskräfte aus dem faktischen Zwang, dass ohne Versicherung eine Beschäftigung nicht möglich ist, da ansonsten die Aufenthaltsgenehmigung und die Arbeitserlaubnis verweigert würden. Wird die Versicherung dann vom Arbeitgeber bezahlt, stellt sich die Frage der lohnsteuerlichen Behandlung.

Sachverhalt
Eine Landwirtin beschäftigte polnische Erntehelfer, schloss für diese eine private Krankenversicherung ab und trug die Versicherungsbeiträge. Anlässlich einer Lohnsteuer-Außenprüfung war das Finanzamt der Auffassung, dass für die gezahlten Beiträge Lohnsteuer angefallen sei und nahm die Landwirtin in Haftung. Diese verwies auf eine zwischenstaatliche Vereinbarung und eine sich hieraus ergebende Versicherungspflicht. Zudem stünde das eigenbetriebliche Interesse im Vordergrund, da deutsche Erntehelfer auf dem Arbeitsmarkt nicht verfügbar wären und ohne polnische Saisonkräfte die Ernte nicht zu bewältigen sei. Außerdem käme der monatliche kleine Rabattfreibetrag von 44 EUR pro Arbeitnehmer zum Tragen. Das Finanzgericht Rheinland-Pfalz wies die Klage der Landwirtin mit Hinweis auf das eigene Interesse der Arbeitnehmer am Krankenversicherungsschutz ab.

Entscheidung
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat den Fall an die Unterinstanz zurückverwiesen und dabei folgende Grundsätze aufgezeigt: So sind die Arbeitgeberbeiträge zu einer privaten Gruppenkrankenversicherung Arbeitslohn, wenn der Arbeitnehmer einen eigenen unmittelbaren und unentziehbaren Rechtsanspruch gegen den Versicherer erlangt. Die Gewährung von Krankenversicherungsschutz ist in Höhe der geleisteten Beiträge Sachlohn, wenn der Arbeitnehmer aufgrund des Arbeitsvertrags von seinem Arbeitgeber ausschließlich Versicherungsschutz, und keine Geldzahlung verlangen kann. Ist dies so, kommt auch die Gewährung des Rabattfreibetrags in Betracht. Die Beiträge können aber auch grundsätzlich steuerfrei sein, wenn der Arbeitgeber nach einer zwischenstaatlichen Verwaltungsvereinbarung, die ihrerseits auf einer gesetzlichen Ermächtigung beruht, zur Leistung verpflichtet ist.

Konsequenz
Der Ausgang des Verfahrens bleibt selbst für den BFH mangels abschließender Kenntnis über vorliegende zwischenstaatliche Vereinbarungen für ausländische Erntehelfer ungeklärt. Liegt jedoch steuerpflichtiger Arbeitslohn vor, lässt sich durch vertragliche Gestaltung ggf. der kleine Rabattfreibetrag für Sachbezüge nutzen.

13. Zur Bindungswirkung der Feststellungen des Lagefinanzamts

Kernaussage
Feststellungsbescheide sind für Steuerbescheide nur insoweit bindend, als die dort getroffenen Feststellungen für diese Folgebescheide von Bedeutung sind (§ 182 Abs. 1 AO). Das Finanzgericht Schleswig-Holstein entschied nun, dass die Feststellungen des Lagefinanzamts betreffend die Zugehörigkeit eines Grundstücks zum Betriebsvermögen eines Gewerbebetriebes das Erbschaftsteuerfinanzamt nicht binden.

Sachverhalt
Die Klägerin hatte einen Anteil an einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) geschenkt bekommen. Die GbR ist Eigentümerin eines Grundstücks, das sie an einen Gewerbebetrieb, Kfz-Handel mit Reparaturwerkstatt und Tankstelle, verpachtet. In der entsprechenden Schenkungsteuererklärung der Klägerin war angegeben, dass es sich um ein Betriebsgrundstück handelte. Auf Anfrage des beklagten Finanzamts erließ das Lagefinanzamt für das Grundstück einen Bescheid über die Feststellung des Grundbesitzwertes für Zwecke der Schenkungsteuer und setzte den Grundbesitzwert auf rd. 2,4 Mio. DM fest. Laut Bescheid gehörte das Grundstück "beim bisherigen Rechtsträger als Betriebsgrundstück zum Gewerbebetrieb Grundstücksgemeinschaft GbR". Streitig war nun, ob mit der Anteilsschenkung auch Betriebsvermögen auf die Klägerin übergegangen war und ob dieses Betriebsvermögen nach den Bestimmungen des Erbschaftsteuergesetzes begünstigt war (§ 13a ErbStG). Bei der Berechnung der Schenkungsteuer ging das beklagte Finanzamt nämlich davon aus, dass es sich bei dem Grundstück nicht um Betriebsvermögen handelte und wandte die Steuervergünstigung nicht an. Es meinte, für die Qualifizierung als Betriebsgrundstück müsse sich das Grundstück auch in der Hand des Erwerbers als solches darstellen.

Entscheidung
Das Finanzgericht wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Die streitgegenständlichen Steuervergünstigungen stehen der Klägerin nicht zu; es lag kein Übergang von Betriebsvermögen vor, weil die GbR nur grundstücksverwaltend tätig war und mangels vorherigen eigenen Betriebs der Werkstatt auch keinen ruhenden Gewerbebetrieb inne hatte. Die anderslautenden Feststellungen des Lagefinanzamts im Bedarfswertfeststellungsbescheid binden das für die Schenkungsteuer zuständige Finanzamt nicht, obwohl im Feststellungsbescheid regelmäßig auch Feststellungen über die Art der wirtschaftlichen Einheit, bei Betriebsgrundstücken, die die zu einem Gewerbebetrieb gehören, auch über den Gewerbebetrieb, zu treffen sind.

Konsequenz
Die Bedarfswertfeststellungen der Lagefinanzämter entfalten nur in Bezug auf die Grundbesitzwerte für die Erbschaft- und Schenkungsteuer als Grundlagenbescheide Bindungswirkung.

14. Aufwand für kontraststarkes Fernsehgerät keine außergewöhnliche Belastung

Kernproblem
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat die Rechtsprechung rund um den Problemkreis der außergewöhnlichen Belastungen und hier insbesondere der Krankheitskosten zuletzt erheblich aufgemischt. So sind langjährige Kriterien der Finanzverwaltung (wie der Verweis auf ein amtsärztliches Gutachten) vor Gericht nicht mehr von entscheidender Relevanz. Ob das jedoch auch dazu führt, dass Anschaffungen von typischen Gegenständen der privaten Lebensführung mit Steuervorteilen versehen werden, wird zurzeit vor den Finanzgerichten ausgetestet.

Sachverhalt
die klagenden Ehegatten hatten bei der Einkommensteuererklärung für 2009 den Abzug von Aufwendungen für ein kontraststarkes Fernsehgerät von ca. 650 EUR beantragt. Nach dem von einem Augenarzt bescheinigten Befund litt die Ehefrau an einer "Altersbedingten Makula-Degeneration", in deren Folge ihre Sehkraft stark eingeschränkt war. Nach dem Vortrag des Ehemannes war fernsehen nur mit einem kontraststarken Fernsehgerät möglich und die Neuanschaffung unumgänglich gewesen. Das beklagte Finanzamt wies - wie in der Vergangenheit auch stets mit Erfolg - den Vortrag mit dem Fehlen eines vor dem Kauf erstellten amtsärztlichen Attests zurück. Das Finanzgericht Rheinland-Pfalz hatte trotz geänderter Rechtsprechung des BFH kein Einsehen mit den Eheleuten.

Entscheidung
Das Finanzgericht wies die Klage ab und ließ es auf die Frage des amtsärztlichen Attestes nicht ankommen. Der Senat führte aus, dass übliche Aufwendungen der Lebensführung aus dem Anwendungsbereich der Steuerbegünstigung ausgeschlossen seien. Diese seien mit dem Grundfreibetrag in Höhe des steuerfreien Existenzminimums abgegolten. So gehöre auch ein Fernsehgerät zu den typischen Einrichtungsgegenständen eines modernen Haushalts. Auch besonders kontraststarke Geräte seien keine eigene Kategorie von Fernsehern, die eine andere Betrachtung rechtfertigen könnten. Selbst bei einer durch die Sehschwäche veranlassten Anschaffung seien keine größeren Aufwendungen entstanden, als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen. Ein Vergleich mit einer Brille oder einer Prothese hinke schon allein wegen der Marktgängigkeit eines Fernsehers. Zwar habe der BFH in bestimmten Fällen von der Anwendung der sog. Gegenwertlehre beim Verlust von Gegenständen des lebensnotwendigen Bedarfs infolge eines unabwendbaren Ereignisses (z. B. Brand) oder einer schwerwiegenden Beeinträchtigung des Wohnens abgesehen. Ein Vermögensverlust wurde aber hier nicht vorgetragen.

Konsequenz
Das Urteil ist zwischenzeitlich rechtskräftig geworden, so dass zumindest hier eine weitere überraschende Entscheidung des BFH auszuschließen ist.

15. Kein Kindergeld für Kind in Untersuchungshaft

Kernproblem
Für ein über 18 Jahre altes Kind wird u. a. Kindergeld gezahlt, wenn es sich in der Berufsausbildung befindet. Dabei wird nicht nur auf das formale Bestehen eines Ausbildungsverhältnisses abgestellt; auf die Ausbildung gerichtete Maßnahmen müssen auch tatsächlich durchgeführt werden. Was hier einfach klingt, kann zum Problem werden, wenn das Kind hinter schwedischen Gardinen sitzt.

Sachverhalt
Der Sohn des Klägers befand sich in einer Ausbildung zum Straßenbauer, bevor er wegen schweren Raubs und gefährlicher Körperverletzung nach Absitzen einer ca. einjährigen Untersuchungshaft zu mehrjähriger Jugendstrafe verurteilt wurde. Nachdem der Übeltäter die ersten beiden Monate in U-Haft gesessen hatte, kündigte der Ausbildungsbetrieb das Ausbildungsverhältnis fristlos. Als das einige Monate später der Familienkasse bekannt wurde, forderte diese das bereits ausgezahlte Kindergeld zurück. Zu Unrecht, wie der Vater meinte. Der konnte im Einspruchsverfahren einen Ausbildungsvertrag vorlegen, den der Sohn nach der Verurteilung abgeschlossen hatte und der ihm während der Haft bei der JVA die Ausbildung zum Maurer ermöglichte. Zudem berief sich der Vater auf eine frühere Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH), der damals eine mehrmonatige U-Haft in Polen als nicht hinderlich ansah und Kindergeld weiter zusprach. Der Unterschied: Das Kind wurde freigesprochen. Aber war das hier von Bedeutung?

Entscheidung
Das Finanzgericht tolerierte die Aufhebung des Kindergeldes und wies die Klage ab. Im Unterschied zur früheren Entscheidung des BFH stellten die Richter insbesondere zwei Unterschiede heraus: Zum einen wurde der Ausbildungsvertrag durch den Arbeitgeber des Kindes beendet und somit die Ausbildung abgebrochen. Zum anderen wurde das Kind aufgrund der vorgeworfenen schweren Straftaten verurteilt. Dieser Umstand sei nicht mit den von der Rechtsprechung tolerierten Unterbrechungen der Ausbildung infolge Erkrankung oder Mutterschaft vergleichbar. Vielmehr sei das strafbare Verhalten des Kindes ursächlich für den Abbruch der Ausbildung. Das Kind könne nach Ansicht des Gerichts auch nicht darauf vertrauen, dass während der Haft die Ausbildung fortgesetzt oder neu begonnen werden könne (wie dies der Vater im Hinblick auf die fehlende Möglichkeit während der U-Haft moniert hatte).

Konsequenz
Der Ausgang des Verfahrens bleibt abzuwarten; die Revision gegen die finanzgerichtliche Entscheidung wurde bereits eingelegt.

16. Zur rückwirkenden Aufhebung einer Kindergeldfestsetzung

Rechtslage
Eltern steht die Zahlung von Kindergeld zu, wenn die gesetzlichen Tatbestände (§ 32 EStG) vorliegen. Eine positive Kindergeldfestsetzung bildet die Rechtsgrundlage für die fortlaufende monatliche Zahlung des Kindergeldes. Haben sich die Verhältnisse, die für den Anspruch auf Kindergeld erheblich sind, geändert, so ist die Festsetzung des Kindergeldes mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse an aufzuheben oder zu ändern.

Sachverhalt
Aufgrund der Meldung der Kläger, dass ihre Tochter die Schulausbildung voraussichtlich im März 2007 abschließen werde, setzte die Familienkasse antragsgemäß Kindergeld bis März 2007 fest. Die Tochter vollendete im Oktober 2004 ihr 18. Lebensjahr und besuchte die Schule bis Januar 2005. Im März 2005 bewarb sich die Tochter für ein freiwilliges soziales Jahr. Gegenüber der Familienkasse gab der Kläger an, seine Tochter werde voraussichtlich ab Mai 2005 ein freiwilliges soziales Jahr ableisten. Auf Anfragen der Familienkasse teilte der Kläger im Juli 2005 mit, dass seine Tochter das freiwillige soziale Jahr nicht aufgenommen hatte. Im September 2005 wurde gemeldet, dass die Tochter weder Arbeit noch Ausbildungsplatz suchend ist. Daraufhin wurde die Kindergeldzahlung rückwirkend aufgehoben und das für die Monate Februar bis September 2005 bereits gezahlte Kindergeld zurückgefordert. Das Finanzgericht gab der hiergegen gerichteten Klage statt. Auf die Revision der beklagten Familienkasse hob der Bundesfinanzhof das Urteil auf und wies die Klage ab.

Entscheidung
Die rückwirkende Aufhebung der Kindergeldfestsetzung durch die Familienkasse war zu Recht erfolgt. Aufgrund des abgebrochenen Schulbesuchs der Tochter im Januar 2005 stand dem Kläger ab Februar 2005 kein Kindergeld mehr zu; der rechtliche Grund für die Zahlung war weggefallen. Das überzahlte Kindergeld war vom Kläger ab August 2005 zurückzuzahlen, da die Familienkasse im Juli 2005 davon Kenntnis erlangte, dass die Tochter das freiwillige soziale Jahr nicht angetreten hatte.

Konsequenz
Die rückwirkende Aufhebung einer Kindergeldfestsetzung ist auch dann rechtmäßig, wenn der Begünstigte seiner Mitwirkungspflicht regelmäßig zeitnah nachkommt und der Familienkasse alle veränderten Umstände mitteilt. Dabei kommt es auch nicht darauf an, dass die Familienkasse trotz Kenntnis des veränderten Sachverhalts weitere Kindergeldzahlungen vornimmt. Die bloße Weiterzahlung schließt eine spätere Rückforderung nicht aus.

17. Befragung nach dem Gesundheitszustand der Bewerber um Beamtenstelle zulässig

Rechtslage
Nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) sind diskriminierende Bewerbungsverfahren verboten. "Klassiker" eines solchen Verfahrens sind unzulässige Frage nach Erkrankungen des Bewerbers im Vorstellungsgespräch. Im arbeitsrechtlichen Bereich gilt hier die Einzelfallrechtsprechung. Als Faustformel kann insoweit nur gelten, dass ein aus der Tätigkeit heraus bestehender sachlicher Grund (z. B. Umgang mit kranken Menschen) Nachfragen nach besonders akuten Krankheiten (z. B. Hepatitis C) rechtfertigt. Das Verwaltungsgericht Neustadt hatte nun im beamtenrechtlichen Bereich über die Zulässigkeit genereller Krankheitsfragen zu entscheiden.

Sachverhalt
Ein schwerbehinderter Bewerber wurde im Rahmen eines Bewerbungsgespräches zur Beamtenlaufbahn nach seinem Gesundheitszustand gefragt, nachdem er selber angegeben hatte, oft müde und ohne Elan zu sein. Nachdem er abgelehnt wurde, machte er Schadensersatz auf der Grundlage des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes geltend, weil die Nachfrage nach seinem Gesundheitszustand eine Ablehnung aufgrund seiner Behinderung indiziere. Der Bewerber unterlag jedoch mit seiner Klage.

Entscheidung
Die Richter urteilten, eine Benachteiligung ergebe sich nicht alleine aufgrund der Nachfrage nach dem Gesundheitszustand des Bewerbers. Die Frage sei im Beamtenverhältnis zulässig, weil die gesundheitliche Eignung des Bewerbers zwingend erforderlich sei. Zudem sei die Nachfrage des potentiellen Dienstherrn auch deshalb zulässig gewesen, weil der Kläger selber angegeben hatte, oft müde und ohne Elan zu sein.

Konsequenz
Die Entscheidung erscheint einleuchtend. Dennoch kann nicht von einer Übertragung der Grundsätze "eins zu eins" im Rahmen eines normalen Arbeitsverhältnisses ausgegangen werden, weil die gesundheitliche Eignung im Beamtenrecht gesetzlich verankert ist, so dass insoweit eine gesetzliche Einschränkung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes besteht. Im normalen Bewerbungsverfahren bleiben Gesundheitsfragen insbesondere ohne konkreten Anlass jedoch problematisch.

18. Schuldunfähigen Arbeitnehmern kann fristlos verhaltensbedingt gekündigt werden

Kernfrage
Kündigungen, die auf das Verhalten eines Arbeitnehmers gestützt werden, setzen insbesondere dann, wenn sie fristlos ausgesprochen werden sollen, eine erhebliche Pflichtverletzung des Arbeitnehmers voraus. Voraussetzung dieser schweren Pflichtverletzung wiederum ist es in der Regel, dass der Arbeitnehmer (in einem besonderen Maß) schuldhaft gehandelt hat. Das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein hatte in einer jüngeren Entscheidung darüber zu befinden, ob auch einem (vielleicht) schuldunfähigen Arbeitnehmer fristlos gekündigt werden kann.

Sachverhalt
Ein seit 20 Jahren beim beklagten Arbeitgeber beschäftigter Arbeitnehmer war, nachdem ihn seine Frau verlassen hatte, manisch-depressiv und zunächst lange Zeit arbeitsunfähig krank geworden. Nach seiner Rückkehr in den Betrieb fiel er wiederholt durch negative Äußerungen gegenüber weiblichen Kollegen auf, für die er auch abgemahnt wurde. Nachdem er eine Vorgesetzte öffentlich im Betrieb beleidigt, verleumdet und angedeutet hatte, sie habe sich mit dem HIV-Virus angesteckt, wurde ihm fristlos gekündigt. In seiner Kündigungsschutzklage verteidigte er sich damit, dass er aufgrund seiner manisch-depressiven Erkrankung schuldunfähig sei, unterlag jedoch vor dem Landesarbeitsgericht.

Entscheidung
Das Gericht stellte in seiner Entscheidung ausdrücklich darauf ab, dass die Frage nach der Schuldfähigkeit des Klägers keine Rolle spiele. Der Grad der Beleidigung, die Art und Weise der Präsentation vor den versammelten Kollegen sowie das im konkreten Fall geplante Vorgehen des Klägers würden die Schwelle überschreiten, die die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses noch zumutbar erscheinen lasse; der Betriebsfrieden sei nachhaltig und endgültig zerstört.

Konsequenz
Die Entscheidung ist im konkreten Fall zutreffend. Jedenfalls dann, wenn das Verhalten eines Mitarbeiters einen Grad erreicht, der geeignet ist, den Betriebsfrieden nachhaltig zu zerstören, kommt es auf ein schuldhaftes Handeln nicht (mehr) an. Bis dieser Grad allerdings erreicht ist, muss auch nach der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts davon ausgegangen werden, dass schuldhaftes Handeln erforderlich ist.

19. Entschädigung für schwangere Bewerberin bei Benachteiligung

Kernaussage
Nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) ist es diskriminierend, bei der Beförderung das Geschlecht der Kandidaten als Auswahlkriterium heranzuziehen. Wird eine Frau während der Schwangerschaft bei einer zuvor in Aussicht gestellten Beförderung übergangen, kann dies zusammen mit weiteren Indizien eine widerlegbare Vermutung für eine Diskriminierung begründen. Der Arbeitgeber, der diese Vermutung nicht widerlegen kann, ist zur Entschädigung verpflichtet.

Sachverhalt
Die Klägerin war bei Sony im Bereich "International Marketing" neben zwei männlichen Abteilungsleitern als weitere Abteilungsleiterin beschäftigt. Im Herbst 2005 wurde die Stelle des unmittelbaren Vorgesetzten frei, die einem Kollegen übertragen wurde. Die Klägerin war zu diesem Zeitpunkt schwanger, was den für die Beförderungsentscheidung maßgeblichen Vorgesetzten bekannt war. Mit der Klage begehrt die Klägerin eine Entschädigung wegen der geschlechtsspezifischen Benachteiligung. Sie behauptet, dass ihr die Stelle mehrfach in Aussicht gestellt worden sei. Bei der Absage wurde ihr gegenüber die Äußerung getätigt, "sie solle sich auf ihr Kind freuen". Gründe für die Beförderung des Kollegen wurden nicht kommuniziert. Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg gab der Klage erst im zweiten Rechtsgang statt, nachdem das Bundesarbeitsgericht (BAG) die Sache dorthin zurückverwiesen hatte.

Entscheidung
Wird eine Frau während der Schwangerschaft bei einer zuvor in Aussicht gestellten Beförderung übergangen, kann dies in Zusammenschau mit anderen Indizien eine geschlechtsspezifische Diskriminierung begründen. Die Äußerung, die Klägerin "solle sich auf ihr Kind freuen", deutet ebenso auf eine Diskriminierung hin, wie die Tatsache, dass das beklagte Unternehmen ihr auch auf Nachfrage keine Gründe für die Bevorzugung des männlichen Kollegen genannt hat. Der innere Zusammenhang der vorgebrachten Indizien ist nicht Voraussetzung der Vermutung einer gesetzeswidrigen Benachteiligung. Da der beklagte Arbeitgeber die Vermutung in ihrer Gesamtschau nicht widerlegen konnte, war von einer Benachteiligung der Klägerin wegen ihrer Schwangerschaft auszugehen.

Konsequenz
Die Entscheidung zeigt, dass mehrere für sich allein nicht ausreichende Indizien im Rahmen einer Gesamtschau das Bild einer geschlechtsbezogenen Diskriminierung ergeben können. Vor dem Arbeitsgericht ist daher umfassend vorzutragen.

20. Festlegen einer durchschnittlichen Stundenzahl im Monat im Arbeitsvertrag unwirksam 

Rechtslage
Um Arbeitnehmer flexibler einsetzen zu können, sehen viele (Standard)Arbeitsverträge lediglich regelmäßige Rahmenarbeitszeiten vor, ohne jedoch den genauen Beschäftigungszeitraum festzulegen. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hatte nunmehr über die Wirksamkeit einer solchen Arbeitszeitklausel zu befinden, die lautete: "Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, im monatlichen Durchschnitt 150 Stunden zu arbeiten."

Sachverhalt
Der Kläger war auf der Grundlage der vorgenannten Arbeitsvertragsklausel beschäftigt und arbeitete tatsächlich durchschnittlich 188 Stunden im Monat. Der geltende Tarifvertrag sah für Vollzeitbeschäftigte eine Mindestarbeitszeit von 160 Stunden im Monat vor. Mit seiner Klage begehrte der Arbeitnehmer die Feststellung, dass seine monatliche Arbeitszeit dem tatsächlichen Beschäftigungsumfang entsprach, bekam aber nur teilweise Recht.

Entscheidung
Das Bundesarbeitsgericht hielt die arbeitsvertragliche Klausel schließlich unter dem Gesichtspunkt einer unangemessenen Benachteiligung durch Allgemeine Geschäftsbedingungen für unwirksam, weil sie nicht klar und verständlich sei. Insbesondere bleibe der Arbeitnehmer über den Umfang seiner Beschäftigung und deren Zeitraum im Unklaren. So sei die Klausel nicht so zu verstehen, dass der Kläger 150 Stunden pro Monat zu arbeiten habe; vielmehr könne es auch so sein, dass der Arbeitnehmer über einen längeren Zeitraum hinweg auf einen Monatsdurchschnitt von 150 Stunden kommen müsse. Im Klageweg könne er aber nur die Feststellung bis zur tarifvertraglich festgelegten Mindestarbeitszeit pro Monat erreichen.

Konsequenz
Die Entscheidung zeigt, wie genau auf arbeitsvertragliche Formulierungen zu achten ist. Eine Klausel, die zu einer Arbeitsleistung von 150 Stunden pro Monat verpflichtet hätte, wäre (wohl) wirksam gewesen.



Für Rückfragen stehen wir Ihnen selbstverständlich gerne zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen


Stephan Gißewski

Steuerberater


Ulmenweg 6-8 - 32760 Detmold
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